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Zahlen und Fakten

Depression – häufig und folgenschwer

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass depressive Störungen bis zum Jahr 2020 neben den koronaren Herzkrankheiten weltweit die führende Ursache für vorzeitigen Tod und durch Behinderung eingeschränkte Lebensjahre sein werden 1. Die 12-Monats-Prävalenz depressiver Störungen bei über 18-jährigen Personen in der deutschen Allgemeinbevölkerung beträgt nach den Ergebnissen des Bundesgesundheitssurveys 10,9 % 2. Das heißt, in Deutschland sind ungefähr fünf bis sechs Millionen Bundesbürger pro Jahr von einer Depression betroffen. Depressive Erkrankungen sind zudem mit einer Reihe schwerwiegender Folgen verbunden. Sie führen unter anderem zu einer verringerten Leistungsfähigkeit, einem Verlust an gesundheitsbezogener Lebensqualität und einer erhöhten Mortalität, vor allem aufgrund von Suiziden. So versterben 15 % der Patienten mit schweren depressiven Erkrankungen durch Suizid und ca. 60 % aller Suizide sind auf Depressionen zurückzuführen. Darüber hinaus gehen depressive Erkrankungen mit einer hohen Rezidivrate und einem hohen Chronifizierungsrisiko einher. Bei ca. einem Drittel der Patienten werden die Depressionen nicht erkannt und bei mehr als der Hälfte nicht konsequent und entsprechend wissenschaftlicher Empfehlungen behandelt. Zur Behandlung von Depressionen stehen jedoch inzwischen eine Vielzahl von Verfahren und Therapieansätzen zur Verfügung. Als eine sehr effektive Methode in der Behandlung von Depressionen hat sich die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen.

Obwohl die Notwendigkeit einer optimierten Depressionsbehandlung unumstritten ist, gibt es insbesondere bei leichteren Formen der Depression offene Fragen bezüglich geeigneter wirksamer und kosteneffektiver Vorgehensweisen und zusätzlicher Versorgungsangebote für diesen großen Personenkreis. Ein enormes Potenzial wird dabei den internetgestützten Ansätzen als niedrigschwellige und flächendeckend anzubietende Intervention bei Depressionen zugeschrieben, da sie dem Bedürfnis vieler Betroffener nach Anonymität entgegenkommt und den Weg für die Inanspruchnahme professioneller Hilfe bahnt 3;4. Der flächendeckend gewährleistete Internetzugang für Patienten in Deutschland 5 hat bereits jetzt zu einer verstärkten Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung auch bezüglich chronischer Erkrankungen geführt. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Internetnutzung depressiver Patienten nicht geringer ist, als durch andere Bevölkerungsgruppen 6. Die Adaptation der sich als wirksam erwiesenen kognitiven Verhaltenstherapie 7 an computer- oder internetgestützte Ansätze ist aufgrund der Strukturiertheit der Methode und der Selbst-Management-Anteile relativ einfach handhabbar 8.

Das moodgym-Programm

moodgym wurde von den Wissenschaftlern des Centre for Mental Health Research der Australian National University in Zusammenarbeit mit Gesundheitsexperten, Web- und Grafik-Designern und Softwareingenieuren entwickelt. moodgym ist ein computergestütztes, interaktives und leicht verständliches Trainingsprogramm zur Vorbeugung und Verringerung von depressiven Symptomen. Es basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, einer anerkannten und bewährten Behandlungsmethode für Depressionen. Das Programm behandelt Themen wie den Zusammenhang von Gedanken und Gefühlen, Beziehungsprobleme und Stressbewältigung und vermittelt Entspannungstechniken. Anhand einer Vielzahl von Übungen und Aufgaben lernt der Nutzer, seine dysfunktionalen und wenig hilfreichen Gedankenmuster zu erkennen und zu ersetzen. Alle Übungen können im Arbeitsbuch-Bereich des Programms gespeichert und teilweise auch ausgedruckt werden. Anhand sich wiederholender Selbst-Tests hat der Nutzer die Möglichkeit, die Entwicklung seiner depressiven Symptome zu verfolgen und damit seinen Fortschritt und den Erfolg des Programms zu kontrollieren. Obwohl alle Nutzer das gleiche Programm durchlaufen, wird der Nutzer an verschiedenen Stellen dazu aufgefordert, Begebenheiten aus seinem eigenen Leben in die Übungen einfließen zu lassen und kann so an konkreten, für ihn relevanten, Beispielen arbeiten. Bitte beachten Sie: moodgym ist keinesfalls zur Behandlung von klinischen Depressionen oder Angststörungen gedacht und ersetzt keinen Arztbesuch.

Da moodgym kostenlos und internetbasiert ist, können viele Menschen erreicht werden, möglicherweise auch diejenigen, die den Weg zu einem Therapeuten scheuen würden. Seit seiner Einführung im Jahr 2004 hat moodgym einige Auszeichnungen im IT- und Gesundheitsbereich gewonnen und hat weltweit inzwischen mehr als eine Million registrierte Nutzer. Bisher stehen den Nutzern eine englische, chinesische, norwegische, finnische, niederländische und nun auch eine deutsche Version zur Verfügung, denn Wissenschaftler des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig haben in Zusammenarbeit mit der AOK moodgym ins Deutsche übersetzt, um es auch deutschen Nutzern zugänglich zu machen.

Funktioniert moodgym? – Unsere Studie

Das moodgym-Programm gehört zu den am besten evaluierten Programmen im Bereich internetbasierter kognitiver Verhaltenstherapie 9. Zudem wird das Programm von den Nutzern sehr gut akzeptiert 10. Studien aus Australien konnten zeigen, dass Personen, die zwei oder mehr Bausteine von moodgym durchlaufen haben, eine signifikante Verringerung ihrer Depressions- und Angstsymptome im Vergleich zu einer Kontrollgruppe erreichen konnten. Dieser Effekt war auch nach 12 Monaten noch vorhanden. Auch im hausärztlichen Bereich wurde moodgym positiv evaluiert 11. Die Wissenschaftler vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health der Universität Leipzig führen gemeinsam mit der AOK eine Studie durch, um herauszufinden, ob moodgym auch bei deutschen Nutzern zu einer Symptomverbesserung führt und ob es kosteneffektiv eingesetzt werden kann. Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass moodgym die depressive Symptomatik bei leicht und mittelgradig depressiven Hausarztpatienten sowohl kurz- als auch langfristig reduziert. Weiterhin zeigten sich positive Effekte im Hinblick auf die Lebensqualität, die allgemeine psychische Belastung und die Selbstwirksamkeit der Patienten. Somit stellt moodgym einen wirksamen komplementären Behandlungsbaustein in der Hausarztpraxis dar.

Literatur

1 Murray CJL, Lopez AD. Alternative visions of the future: projecting mortality and disability, 1990-2020. In: Murray CJL, Lopez AD, eds. The Global Burden of Disease. A comprehensive assessment of mortality and disability from diseases, injuries and risk factors in 1990 and projected to 2020. Publication from Harvard School of Public Health, on behalf of the World Health Organization and the World Bank Cambridge. Cambridge, MA: Harvard University Press; 1996;361-395.

2 Jacobi F, Wittchen HU, Holting C et al. Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: results from the German Health Interview and Examination Survey (GHS). Psychol Med 2004;34(4):597-611.

3 Cuijpers P. Bibliotherapy in unipolar depression: a meta-analysis. J Behav Ther Exp Psychiatry 1997;28(2):139-147.

4 Cartreine JA, Ahern DK, Locke SE. A roadmap to computer-based psychotherapy in the United States. Harv Rev Psychiatry 2010;18(2):80-95.

5 Statistisches Bundesamt. Informationsgesellschaft in Deutschland. Ausgabe 2009. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, 2009.

6 Leiberich P, Nedoschill J, Nickel M et al. Selbsthilfe und Beratung im Internet. Mündige Benutzer können die Arzt-Patienten-Beziehung neu gestalten. Med Klin (Munich) 2004;99(5):263-268.

7 Cuijpers P, Smit F, Bohlmeijer E et al. Efficacy of cognitive-behavioural therapy and other psychological treatments for adult depression: meta-analytic study of publication bias. Br J Psychiatry 2010;196(3):173-178.

8 Spek V, Cuijpers P, Nyklicek I et al. Internet-based cognitive behaviour therapy for symptoms of depression and anxiety: a meta-analysis. Psychol Med 2007;37(3):319-328.

9 Kaltenthaler E, Parry G, Beverley C et al. Computerised cognitive-behavioural therapy for depression: systematic review. Br J Psychiatry 2008;193(3):181-184.

10 Kaltenthaler E, Sutcliffe P, Parry G et al. The acceptability to patients of computerized cognitive behaviour therapy for depression: a systematic review. Psychol Med 2008;38(11):1521-1530.

11 Hickie IB, Davenport TA, Luscombe GM et al. Practitioner-supported delivery of internet-based cognitive behaviour therapy: evaluation of the feasibility of conducting a cluster randomised trial. Med J Aust 2010;192(11 Suppl):S31-S35.