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Depressionen und internetbasierte Selbstmanagementprogramme

Depression

Depressionen zählen zur Gruppe der sogenannten affektiven Störungen. Affektive Störungen sind ein Sammelbegriff für verschiedene Formen depressiver und sogenannter manisch bzw. manisch-depressiver Erkrankungen (auch bipolare Erkrankungen genannt). Bei diesen stehen klinisch bedeutsame und beeinträchtigende Störungen von Affekt, Stimmung und damit einhergehenden Kognitionen im Vordergrund des Störungsbildes.

Häufigkeit von Depressionen

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in unserer Bevölkerung. Sie haben aufgrund ihrer Häufigkeit, Komplikationen und Folgen eine herausragende klinische, gesundheitspolitische und gesundheitsökonomische Bedeutung (RKI, 2010). Neue nationale und internationale Bevölkerungsstudien haben verlässliche und konsistente Abschätzungen der Verbreitung von Depressionen bereitgestellt. Nach Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Depressionen in Europa und Deutschland seit Anfang der 1990er-Jahre noch vor anderen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus oder koronaren Herzerkrankungen als die gesellschaftlich belastendste Krankheitsgruppe einzuordnen. Für die Europäische Union wurde eine 12-Monats-Prävalenz der Depression (Majore Depression nach DSM-IV) von 6,9 % in der Altersgruppe von 14 bis 65 Jahren geschätzt (Wittchen et al. 2011). Die 12-Monats-Prävalenz depressiver Störungen bei über 18-jährigen Personen in der deutschen Allgemeinbevölkerung beträgt nach den Ergebnissen des Bundesgesundheitssurveys 10,9 %. Das heißt, dass in Deutschland ungefähr fünf bis sechs Millionen Bundesbürger pro Jahr von einer Depression betroffen sind. In der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), welche in den Jahren 2008 bis 2011 am Robert Koch-Institut durchgeführt wurde, lag die 12-Monats-Prävalenz diagnostizierter Depressionen für Frauen bei 8,1 % und für Männer bei 3,8 % (Busch et al. 2013). Die Daten zeigen also einen Unterschied zwischen Frauen und Männern in der Häufigkeit von Depressionen, wobei Frauen ungefähr doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Dieser Unterschied zeigt sich auch auf internationaler Ebene (Culbertson 1997; Jacobi et al.; Klose, Jacobi 2004; RKI 2010; Busch et al. 2011; Kurth 2012; RKI 2012). Depressive Erkrankungen sind zudem mit einer Reihe schwerwiegender Folgen verbunden. Sie führen unter anderem zu einer verringerten Leistungsfähigkeit, einem Verlust an gesundheitsbezogener Lebensqualität und einer erhöhten Mortalität, vor allem aufgrund von Suiziden. So versterben 15 % der Patienten mit schweren depressiven Erkrankungen durch Suizid und ca. 60 % aller Suizide sind auf Depressionen zurückzuführen. Darüber hinaus gehen depressive Erkrankungen mit einer hohen Rezidivrate und einem hohen Chronifizierungsrisiko einher. Bei ca. einem Drittel der Patienten werden die Depressionen nicht erkannt und bei mehr als der Hälfte nicht konsequent und entsprechend wissenschaftlicher Empfehlungen behandelt.

Diagnostik von Depressionen

Affektive Störungen und Depressionen werden auf der Grundlage der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10, International Classification of Diseases; in der zehnten Überarbeitung) oder des im Forschungskontext gebräuchlichen US-amerikanischen Diagnosenmanuals DSM-V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; fünfte Auflage) über klinische und explizit ausformulierte diagnostische Kriterien diagnostiziert. Diese Kriterien beruhen in erster Linie auf den Symptomen der Erkrankung, ihrer Persistenz (Fortbestehen) und Schwere, den daraus resultierenden Einschränkungen und Behinderungen sowie ihrem Verlauf. Im ICD-10 wird die Gruppe der affektiven Störungen wie folgt klassifiziert:

  • F30 Manische Episode
  • F31 Bipolare affektive Störung
  • F32 Depressive Episode
  • F33 Rezidivierende depressive Störung
  • F34 Anhaltende affektive Störungen
  • F38 Andere affektive Störungen
  • F39 Nicht näher bezeichnete affektive Störung

Weitere Informationen zu den Untergruppen der einzelnen Kategorien finden sich unter www.dimdi.de. Das Andauern der depressiven Kernsymptome (1) Niedergeschlagenheit/ Traurigkeit und (2) Verlust von Interesse und Freude ist ein wesentliches Merkmal einer klinischen Depression (im Sinne einer depressiven Episode, ICD-10: F32 oder einer Major Depression nach DSM). Diese müssen mindestens zwei Wochen lang klinisch bedeutsam ausgeprägt vorliegen und eine deutliche Veränderung gegenüber dem normalen Befinden darstellen. Neben den genannten Hauptsymptomen erfordern die Kriterien einer Depressiven Episode (synonym: Major Depression) das Vorliegen einer Reihe weiterer Symptome, wie z. B. Gewichtsverlust oder -zunahme, Schlaflosigkeit, wiederkehrende Gedanken an den Tod. Zu den Hauptsymptomen in der ICD-10 wird auch der klinisch bedeutsame Verlust von Antrieb und Energie gezählt. Neben diesen sind zumindest einige weitere Symptome körperlicher, affektiver, kognitiver und verhaltensbezogener Art erforderlich, um eine depressive Episode nach ICD (bzw. Major Depression) zu diagnostizieren. Hierzu gehören Störungen von Appetit und Gewicht, Schlafstörungen, psychomotorische Störungen, Verlust des Selbstwertgefühls, Konzentrationsstörungen, Entscheidungsschwierigkeiten sowie suizidales Verhalten. Wenn mindestens fünf dieser Symptome zwei Wochen oder länger vorliegen, wird von einer Depressiven Episode (bzw. Major Depression) gesprochen. Ein detaillierter Überblick wird im Heft 51 Depressive Erkrankungen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Robert Koch-Institut, 2010) gegeben.

Therapie von Depressionen

Zur Behandlung von Depressionen stehen eine Vielzahl von Verfahren und Therapieansätzen zur Verfügung. Dazu zählen die somatischen Verfahren, wie in erster Linie die medikamentöse Therapie mit Antidepressiva. Des Weiteren kommen insbesondere bei schweren depressiven Erkrankungen psychosoziale Interventionen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes zum Einsatz, wie eine Psychoedukation, künstlerische Therapieansätze oder Sport- und Bewegungsinterventionen. Ein weiterer zentraler Therapieansatz ist die Psychotherapie, die allein oder in Kombination mit medikamentösen und/oder psychosozialen Interventionen als Teil eines Gesamtbehandlungsplanes eingesetzt wird. Auch hier gibt es verschiedene evidenzbasierte Ansätze. Als eine sehr effektive Methode in der Behandlung von Depressionen hat sich die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen.

Neben den klassischen therapeutischen Methoden bietet die sogenannte „computerized cognitive behavioural therapy“ (CCBT), also computergestützte kognitive Verhaltenstherapie, ein enormes Potenzial zur Behandlung depressiver Symptome. Das Kürzel CCBT wird oft als Oberbegriff verwendet, wenn von internetbasierten kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierten Selbstmanagementprogrammen oder Behandlungen gesprochen wird. Der Begriff umfasst alle Arten von Angeboten, die via Computer angeboten werden, von individueller E-Mail-Therapie bis zu Programmen wie moodgym, die ohne direkte Einbindung von Therapeuten auskommen. Der flächendeckend gewährleistete Internetzugang für Patienten in Deutschland hat bereits jetzt zu einer verstärkten Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung auch bezüglich chronischer Erkrankungen geführt. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Internetnutzung depressiver Patienten nicht geringer ist als die Nutzung durch andere Bevölkerungsgruppen. Die Übernahme von Methoden der sich als wirksam erwiesenen kognitiven Verhaltenstherapie in computer- oder internetgestützten Ansätzen ist aufgrund der Strukturiertheit der Methode und der Selbst-Management-Anteile relativ einfach. Die internetgestützten Ansätze als niedrigschwellige und flächendeckend anzubietende Intervention bei Depressionen gewinnen zunehmend auch deshalb an Bedeutung, weil sie dem Bedürfnis vieler Betroffenen nach Anonymität entgegenkommen und damit aber auch den Weg für die Inanspruchnahme professioneller Hilfe bahnen.